Haustür abschließen – verbietet der Brandschutz das Abschließen der Haustür?

Verbietet der Brandschutz das Abschließen der Haustür?

Problematik

Zu den Streitigkeiten zwischen Bewohnern eines Hauses zählt auch die Frage, ob die Haustür des Nachts verschlossen werden soll. Es stehen sich hier Sicherungsinteressen, das Haus in der Nacht durch das Abschließen der Haustür besser gegen unerwünschte Eindringlinge zu schützen, und Bequemlichkeitsinteressen gegenüber, die Tür insbesondere für spät kommende oder gehende Gäste nicht auf- und abschließen zu müssen. Die Hausordnungen in vielen Mietshäusern und auch in Wohnungseigentumsanlagen geben den Sicherungsinteressen den Vorrang. Sie sehen vor, dass die Haustür in der Nacht während eines festgelegten Zeitraums verschlossen sein muss. 

Brandschutzrechtliche Aspekte finden bislang wenig  Berücksichtigung. Im Folgenden soll daher geprüft werden, inwieweit diese eine bestimmte Handhabung vorgeben.

Die Rechtsprechung zum WEG hat sich der Thematik nur unter anderen Gesichtspunkten bisher genähert. So hat etwa das Bay0bLG (WuM 1988, 410) sich mit der Auslegung eines solchen Beschlusses befasst, der vorsah, dass die Hauseingangstüre geschlossen zu halten ist, so dass sie nur mit einem Schlüssel oder über die Türöffnungsanlage geöffnet werden könne. Während das Kammergericht (ZMR 1985, 345) feststellte, dass ein Wohnungseigentümer nicht verlangen könne, dass die Miteigentümer es unterlassen, tags- über kurzfristig den Schließmechanismus der Haustür außer Betrieb zu setzen, obwohl die Hausordnung vorsah, dass die Tür „generell geschlossen“ zu sein habe. Allerdings seien die Begriffe „geschlossen“ und „verschlossen“, d. h. nur mit Schlüssel zugänglich, keineswegs gleichzusetzen. Das Gericht stellte fest, dass es nicht ordnungsmäßiger Verwaltung widerspreche, wenn es nach dem Mehrheitswillen der Eigentümergemeinschaft den einzelnen Wohnungseigentümern unbenommen bleiben soll, tagsüber kurzfristig den Schließmechanismus der Haustür außer Funktion zu setzen, beispielsweise wenn sie sich auf oder vor dem Grundstück aufhalten und im Garten oder an ihrem Kraftzeug arbeiten. 

Das BayObLG (Rechtspfleger 1982, 218) hatte seinerzeit für ein überwiegend Wohnzwecken dienendes Gebäude festgestellt, dass die Sicherheitsinteressen der Inhaber von Wohnungen zu berücksichtigen sind und der Zweck einer mit elektrischer Sprech- und Öffneranlage versehenen Haustüre darin besteht, den Bewohnern ein bequemes Öffnen zu ermöglichen und das unkontrollierte Betreten des Hauses durch Unbefugte zu verhindern. 

Schon zuvor hatte das LG Wuppertal (Rechtspfleger 1972, 451 ff.) für eine entsprechende Gebrauchsregelung (§ 15 Abs. 2 WEG) gefordert, dass die Interessen der Beteiligten am Offen- oder Geschlossenhalten der Haustüre gegeneinander abzuwägen sind und festgestellt, dass ein Beschluss, der in Wohngebäuden mit Eigentumswohnungen das Offenhalten der Haustüre gestattet, nicht ordnungsgemäß ist, wenn er berechtigten schutzwürdigen Interessen der Minderheit zuwiderläuft und seine Auswirkungen sich im Wesentlichen gegen diese richtet. Das Gericht ging einerseits davon aus, dass dem Bedürfnis zur Sicherung des Sondereigentums vor Straftätern und dem Interesse, schon das Treppenhaus und erst recht die Wohnung gegenüber ungebetenen Besuchern durch die Sprech- und Türöffnungsanlage gesichert zu wissen, tageszeitabhängig unterschiedliches Gewicht beigemessen wird. 

Eine Sonderregelung, die auf die Sprechstunden eines im selben Hause praktizierenden Zahnarztes Rücksicht nahm, wurde nicht als ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend angesehen, da sie den schutzwürdigen Interessen der mit ihren Wohnungen an dasselbe Treppenhaus angrenzenden Wohnungseigentümer zuwiderlief. Diester (Rechtspfleger 1972, 453), sogar das Offenhalten der Hauseingangstür als unzumutbar im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG an und verneinte das Vorliegen einer Gebrauchsregelung, die durch Mehrheitsbeschluss gefasst werden kann (§ 15 WEG).

Brandschutz

Der Brandschutz ist Materie der Landesbauordnungen. Diese sehen in allen Ländern vor, dass in jedem Gebäude ein erster Rettungsweg in einer festgelegten Entfernung von jeder Nutzungseinheit ins Freie führen muss, bei größeren Gebäuden ist ferner ein zweiter Rettungsweg notwendig. Es ist detailliert geregelt, wie die Rettungswege sowie Flure und Treppen, über die diese verlaufen, zu errichten sind. Wie die Türen, über die die Rettungswege ins Freie führen sollen, beschaffen sein müssen, ist hingegen nicht ausdrücklich bestimmt. Vielfach sind indes Regelungen über die Errichtung solcher Fenster vorhanden, über die der zweite Rettungsweg ins Freie führen soll. Diese müssen eine festgelegte Größe haben und zu öffnen sein. Insgesamt enthalten die Bauordnungen damit ausdrückliche Regelungen lediglich über die brandschutzgerechte Errichtung der Gebäude. Auch die Regelung, dass die Fenster zu öffnen sein müssen, ist so auszulegen. Sie gibt also nicht vor, dass das Fenster nicht verschlossen sein darf, sondern bestimmt allein, dass das Fenster überhaupt über einen Griff oder ähnliches als Öffnungsmechanismus verfügen muss. 

Die in Rede stehende Frage, ob die Ausgangstüren abgeschlossen werden dürfen, betrifft hingegen nicht die Errichtung, sondern den Betrieb eines gemäß den Brandschutzbestimmungen errichteten Gebäudes. Ein Verbot, die Tür zu verschließen, kann daher allein aus der bauordnungsrechtlichen Generalklausel folgen, nach der Gebäude so zu benutzen sind, dass die öffentliche Sicherheit, insbesondere Leib und Gesundheit, nicht gefährdet werden. Um den brandschutzrechtlichen Gehalt dieser Bestimmung zu ermitteln, sind die Erfordernisse über die Errichtung der Rettungswege zu berücksichtigen. Das Gebot, dass jedes Gebäude zumindest über einen gut passierbaren ersten Rettungsweg verfügen muss, darf nicht leer laufen. Die Passierbarkeit wird durch eine Tür, die sich von innen nur durch ein besonderes Hilfsmittel (Schlüssel) öffnen lässt, aber erheblich beeinträchtigt. Besondere Gefahren drohen, wenn sich viele Menschen im Gebäude aufhalten. die über keinen Schlüssel verfügen. In Panik zum Ausgang laufende Menschenmassen können dann auch einem Schlüsselinhaber den Weg verstellen. Dem entspricht die in den Bundesländern – entweder aufgrund einer Verordnung oder einer Verwaltungsvorschrift – übliche Regelung, dass in Versammlungs- oder Verkaufsstätten die Türen auf den Fluchtwegen nicht verschlossen sein dürfen. Entsprechende Gefahrenlagen können sich auch in Wohnhäusern etwa bei einer Feier mit vielen Gästen ergeben. Ferner darf man nicht übersehen, dass der Ausbruch eines Feuers oder ein sonstiger Notfall die Bewohner psychisch besonders beansprucht, so dass sie ihren Schlüssel nicht schnell genug finden oder gar in der Wohnung vergessen könnten. Dabei sind ältere Menschen oder Kinder aufgrund ihrer Unerfahrenheit oder Hilflosigkeit besonderen Gefahren ausgesetzt. 

Die angeführten Argumente sprechen dafür, dass Haustüren aus brandschutzrechtlichen Gründen nicht verschlossen werden dürfen (so im Ergebnis auch Franz, in: Simon (hrsg.), Kommentar zur Bay. Bauordnung, 12. Aufl. Stand: Mai 1999, Art. 38 Rdn. 9). Dieses mag in Einzelfällen anders liegen. So mag etwa bei Einfamilienhäusern wegen der Überschaubarkeit der Situation eine andere Beurteilung angemessen sein. Aus dem gleichen Grund mag auch das Verschließen der Wohnungstür nicht zu beanstanden sein. Es ist aber von dem Grundsatz auszugehen, dass die Tür in einem Haus mit mehreren Wohneinheiten auch in der Nacht nicht verschlossen werden darf. Wer dem widerspricht, muss sich vorwerfen lassen, dass er in Wirklichkeit die Gefahr zu wenig berücksichtigt, dass es wegen des Ausbruchs eines Feuers oder aus einem anderen Grund zu der Notwendigkeit kommt, die Rettungswege benutzen zu müssen. Denn es drängt sich doch gerade auf, dass eine verschlossene Ausgangstür die Möglichkeit, das Haus zu verlassen, erheblich erschwert. 

Die Sicherungsinteressen haben dagegen eine weniger hohe Bedeutung. Zum einen ist nicht einsichtig, warum die Türen gerade in der Nacht abgeschlossen werden sollen. Die Gefahr vor Einbrüchen ist am Tage, wenn das Haus verlassen ist, eher größer als in der Nacht, wenn die meisten Bewohner zu Hause sind. Zum anderen könnten die Bewohner ihrem Sicherungsinteresse dadurch genügen, dass sie ein Schloss einbauen, das durch das Drücken der Türklinge von innen auch aufgeschlossen wird. Hier entscheidet sich, welchen Kostenaufwand der Hausgemeinschaft ihre Sicherheit wert ist.

Konsequenzen

Das Verschließen der Ausgangstür unter Verstoß gegen Bestimmungen des Brandschutzes kann sowohl öffentlich-rechtliche, nämlich bauordnungsrechtliche, als auch privatrechtliche, nämlich nachbarschaftsrechtliche, Rechtsfolgen zeitigen. So könnte die Bauordnungsbehörde den Bewohnern eines Gebäudes durch Ordnungsverfügung aufgeben, die Ausgangstür nicht zu verschließen, und für den Fall der Zuwiderhandlung Zwangsmittel androhen. Bei der Entscheidung über die Ordnungsverfügung ist den Behörden aber Ermessen eingeräumt, und es ist fraglich, ob diese ihr Entschließungsermessen dahin ausüben, tätig zu werden. 

Von größerer Bedeutung sind – jedenfalls in Hausgemeinschaften, in denen der Hausfrieden bereits gestört ist – die privatrechtlichen Folgen. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass eine Bestimmung der Hausordnung, die die Bewohner zum Abschließen der Haustür ver- pflichtet, gem. § 134 BGB in Verbindung mit der bauordnungsrechtlichen Generalklausel unwirksam ist. Denn sie verpflichtet die Bewohner zu einem gesetzwidrigen, weil gegen die Brandschutzbestimmungen verstoßenden Verhalten. Kein Bewohner ist also verpflichtet, die Haustür abzuschließen. Vielmehr stellt das Abschließen der Haustür ein rechtswidriges Verhalten dar, das jedem Bewohner untersagt ist. Verstößt ein Bewohner gegen dieses Verbot, können die anderen ihn auch auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Der Unterlassungsanspruch wurzelt darin, dass die Mitbewohner zumindest Mitbesitzer – in manchen Fällen auch Miteigentümer – zur Freihaltung von allen Gegenständen verpflichtet sind, über die der Rettungsweg führt, weil dieser für die Nutzung ihrer Wohnung unentbehrlich ist. Sie bilden daher eine Rechtsgemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB. Derjenige Mitbewohner, der die Ausgangstür rechtswidrig verschließt, überschreitet seine Befugnisse innerhalb dieses Gemeinschaftsverhältnisses und verletzt den Mitbesitz der anderen Mitbewohner.

Quelle: www.baurecht.de 

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