Wie werden Versicherungsschäden am Sondereigentum abgewickelt? Was muss der Verwalter tun?

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat im Leitsatz wie folgt entschieden:
Hat der Verwalter im Auftrag der Wohnungseigentümer und für deren Rechnung eine Leitungswasserversicherung abgeschlossen, die auch Schäden am Sondereigentum umfaßt, hat bei Eintritt eines Schadens am Sondereigentum eines Wohnungseigentümers allein dieser für die Behebung und Begrenzung des Schadens zu sorgen.
Der Verwalter ist gegenüber dem betroffenen Wohnungseigentümer, wenn dessen Mieter von dem Schadensfall Kenntnis hat, nur verpflichtet, Notmaßnahmen zu ergreifen und den Versicherer zu unterrichten.
(BayObLG, Beschluß vom 3.4.1996, Az.: 2 Z BR 5/96, BayObLG Z 1996, Nr. 20, ETW, Gruppe 2, 5. 2806).

Dazu einige Anmerkungen aus Verwaltersicht:
Es handelt sich hier um eine weitere eindeutige Entscheidung zu der oft gehörten "Rechtsmeinung", daß die Abwicklung von Versicherungsschäden am Sondereigenum eine „Nebenpflicht„ des Verwalters sei. Das Gericht hat hier deutliche Grenzen gesetzt.

Die Entscheidung ist überzeugend. Der Verwalter im Wohnungseigentum ist für das Gemeinschaftseigentum und für die Verwaltung der gemeinschaftlichen Gelder zuständig. Es gehört zu den Pflichten des Wohnungseigentümers, für die Instandhaltung der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile selbst zu sorgen. Darunter fallen auch Maßnahmen aus Risiken. deren Kosten durch die Gebäudeversicherung gedeckt sind bzw. erstattet werden.
Nach der aktuellen Rechtsprechung hat der Verwalter den versicherten Wohnungseigentümern den Namen, die Adresse und die Versicherungsnummer der Gebäudeversicherung mitzuteilen. Aus der Praxis ist bekannt, daß die Gebäudeversicherungen eine direkte Schadensabwicklung mit dem einzelnen, ihnen unbekannten Miteigentümer (der aber zur Gruppe der Versicherungsteilnehmer gehört) vermeiden wollen, denn dazu fehlt ihr das qualifizierte Personal.
Deshalb halten die Versicherer sich gern an den Verwalter und bezeichnen ihn — wie schon fälschlicherweise oft in den Verträgen — als „Vertreter„, was rechtlich nicht haltbar ist.
Versucht ein vom Versicherungsschaden im Sondereigentum betroffener Eigentümer selbst die Schadensregulierung mit dem jeweiligen Versicherer, trifft ihn leider in vielen Fällen „die Macht der Bürokratie„. Der überforderte Mitarbeiter der Versicherung wird sich kaum zu helfen wissen und den „Dienstweg„ einschlagen. Wie soll die Versicherung auch so schnell feststellen, ob es sich tatsächlich um einen ihrer Versicherungsnehmer handelt? Sie hatte es sich bisher recht einfach gemacht und in ihren Akten nur die Adresse der Wohnanlage, die Versicherungsnummer und den Namen des Verwalters dokumentiert. Eine Liste der Miteigentümer fehlt meistens in den Unterlagen.
Grundsätzlich steht ja auch nichts dagegen, wenn der Verwalter hilft und er eine zusätzliche Leistung erbringt, indem er bei der stark reglementierten Schadensabwicklung behilflich ist. Spätestens zu diesem Zeitpunkt kommt die Frage, wer die daraus entstehenden Kosten trägt?

Hierzu bieten sich drei Möglichkeiten an:

1. Die Gebäudeversicherung:
Sie spart durch die Mithilfe und Koordination des Verwalters das Vorhalten und die Bereitstellung von eigenem, qualifiziertem Personal, das bei einer Vollkostenrechnung je Lohnminute mit knapp DM 1,00 anzusetzen ist.
Müßte die Versicherung Personal bereitstellen, würde sie mit Sicherheit die Versicherungsprämien erhöhen, womit es doch wieder alle Wohnungseigentümer trifft.

2. Der betroffene Wohnungseigentümer:
Eine gute Idee? Natürlich nur solange, wie der einzelne Eigentümer nicht selbst an seinem Sondereigentum betroffen ist. Dann fragt er schon einmal, „Warum ab jetzt ich„? Warum waren „die anderen„ in der Vorzeit von den Kosten freigestellt?
Dazu kommt noch das Problem, daß der Verwalter dann nur mit Einzelauftrag des jeweils betroffenen Eigentümers tätig werden kann. Sofern er (als Dritter) Instandsetzungsaufträge erteilt, schicken ihm die ausführenden Handwerker die Rechnungen. Gemeinschaftliche Gelder aus dem Konto der Eigentümergemeinschaft darf er für diese Maßnahmen nicht einsetzen.
Nach erbrachter Instandsetzung schickt der Verwalter die Rechnungen für nicht durch die Versicherung gedeckte Leistungen (z.B. Chromteile, Armaturen, Heizkörper etc.), einschließlich seiner Rechnung über seine Zusatzleistungen, an den Eigentümer mit der Bitte um Zahlung. Oft kommt es zu Mahnungen oder sogar zur Verärgerung. Die vermeintliche Hilfestellung des Verwalters rächt sich spätestens bei der nächsten. Verwalterbestellung, und daran ist dem Verwalter nun überhaupt nicht gelegen!

3. Die Eigentümergemeinschaft:
Auch eine Möglichkeit! Wenn man den Gesichtspunkt der Solidargemeinschaft, die Kostenregelung bei der Abwicklung der Vorzeitschäden und die unter Punkt 1 erwähnte, zu erwartenden Prämienerhöhungen der Versicherung beachtet. noch hinzu, daß es für die Eigentümergemeinschaft sicher kostengünstiger ist, nur für tatsächlich erbrachte Zusatzleistungen des Verwalters zu zahlen, statt das Risiko einer generellen Prämienerhöhung aus der unter Punkt 1 geschilderten Kostensteigerung abzuwarten.
Dann könnte der Verwalter die aus seiner Beauftragung entstehenden Kosten der Instandsetzung vorübergehend — bis zur Erstattung durch den Versicherer bzw. für nicht versicherte Anteile durch den betroffenen Wohnungseigentümer — aus dem Konto der Eigentümergemeinschaft zahlen. Daraus entsteht natürlich ein, von der herrschenden Rechtsmeinung wenig geliebtes Verrechnungskonto, welches sich aber nach Abwicklung und Erstattung des jeweiligen Versicherungsfalles wieder auflöst

Bei einer derartig abzurechnenden Hilfestellung durch den Verwalter müssen für die Eigentümerversammlung einige Vorbereitungen getroffen werden:

A) Der Verwalter muß sich zur Ausführung derartiger Zusatzleistungen bereit erklären und selbst über das notwendige, qualifizierte Personal verfügen. Einzelheiten und Kosten sollen dann auch im Leistungskatalog zum Verwaltungsvertrag vereinbart werden.
B) Die Eigentümerversammlung muß durch Mehrheitsbeschluß (ORGA-Beschluß-anfechtbar) neben weiteren Einzelheiten ihr Einverständnis geben, daß vorübergehend gemeinschaftliche Gelder für die Abwicklung von Versicherungsfällen im Sondereigentum eingesetzt werden dürfen.
In diesem Fall fakturiert der Verwalter an die Eigentümergemeinschaft, wobei es dem Versicherer freigestellt ist, auch diese Kosten mit Rücksicht auf Punkt 1 zu übernehmen!

Ein Kommentar von S. Stein WRS-Verlag „Wohnungseigentum“