Die besonderen Probleme bei Kapitalanlageobjekten
Rechtsanwalt Rüdiger Fritsch
Enthält die Gemeinschaftsordnung ebenfalls keine besondere Bestimmung über den Ort der Eigentümerversammlung und fehlen sonstige Vereinbarungen (was regelmäßig der Fall ist), ist anhand des auslegungsfähigen Begriffs der ordnungsgemäßen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums zu entwickeln, wie der rechtmäßige Versammlungsort zu bestimmen ist.
2.
Hinsichtlich dieser Kriterien für die Bestimmung des rechtmäßigen Versammlungsorts durch den Verwalter gehen dann allerdings (wie üblich) die Meinungen auseinander:
a)
Nach einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung soll mangels gegenteiliger Vereinbarung der Versammlungsort stets mit dem Leistungsort (§ 269 BGB) der dem Verwalter obliegenden Verbindlichkeit (d.h. Erbringung seiner Verwaltungsleistungen), also dem Ort der Wohnungseigentumsanlage identisch sein.
Folgt der Verwalter dieser Meinung, so dürfen sich die Selbstnutzer freuen, da kein anderer Versammlungsort als die Gemeinde, in der das Objekt liegt, in Frage kommt.
b)
Die wohl h.M. in Rechtsprechung und Literatur ist der Meinung, dass der Verwalter im Rahmen seiner Funktion nach pflichtgemäßem Ermessen berechtigt sei, den Versammlungsort festzulegen. Dabei soll der Verwalter auch berücksichtigen, dass der Versammlungsort den Wohnungseigentümern die Teilnahme nicht erschwert oder sonst unzumutbar macht.
Nach dieser Meinung muss der Versammlungsort nicht zwingend die Gemeinde des Objekts sein, da die von den auswärtigen Kapitalanlegern vorgebrachten Argumente für eine Versammlung am Objekt zugunsten eines für diese Gruppe günstigeren Orts durchaus zu berücksichtigen sind.
Verfolgt man diese Argumentation weiter, so ergeben sich gerade für den hier vorliegenden Fall eines Kapitalanlageobjekts erhebliche Probleme bei der erforderlichen Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten:
Die bei Kapitalanlageobjekten überwiegende Mehrzahl auswärtiger Eigentümer kann aus Gründen der Ersparnis unnötigen Zeit- und Reiseaufwands ein Interesse daran haben, einem zum eigenen Wohnort oder zum Sitz des Verwalters günstig gelegenen, aber von der Anlage weiter entfernten Versammlungsort den Vorzug zu geben.
Der Verwalter und die Wohnungseigentümer im übrigen können ein zu berücksichtigendes Interesse daran haben, die Versammlung am auswärtigen Sitz des Verwalters durchzuführen, um etwa erforderliche und bei Abhaltung der Versammlung am Ort des Objekts mitunter nicht verfügbare Unterlagen griffbereit zu haben.
Dagegen spricht für die Abhaltung der Versammlung am Ort des Objekts das Interesse der vor Ort wohnenden Eigentümer, keine weite Anreise zum Versammlungsort unternehmen zu müssen sowie die durch eine Versammlung am Ort des Objekts garantierte Sachnähe der Entscheidungen der Gemeinschaft.
c)
Das AG Neuss hat ausgesprochen, dass Versammlungsort zwar nicht zwingend die Gemeinde des Objekts sein müsse, die Versammlung ab zumindest im betreffenden Amtsgerichtsbezirk stattzufinden habe.
Zur Begründung führt das Amtsgericht Neuss an, dass es weder auf die Frage des vertraglichen Erfüllungsorts, noch auf die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens durch den Verwalter mit allen Unwägbarkeiten ankommen könne.
Meine Meinung:
Dem AG Neuss ist zu folgen. Nur die räumliche Nähe von Objekt und Versammlungsort versetzt den einzelnen Eigentümer in die Lage, den Zustand des Objekts sowie die örtlichen Verhältnisse einzuschätzen und durch eine hierauf aufbauende Beschlussfassung anlässlich der Versammlung die Verwaltung seines Eigentums mitzugestalten.
Die abweichenden Interessen der Kapitalanleger und des Verwalters sind im Falle großer räumlicher Entfernung des Versammlungsorts gerade nicht zu berücksichtigen.
Dies zum einen, weil sich der Verwalter mit auswärtigem Sitz sich bei seiner Entscheidung, die Verwaltung des Objekts zu übernehmen, der Tatsache der räumlichen Entfernung bewusst gewesen ist, ebenso wie dies dem auswärtigen Kapitalanleger bei seiner Kaufentscheidung bekannt gewesen ist.
Ansonsten ergibt sich durch das Kriterium der Zumutbarkeit eine kaum beherrschbare Abgrenzungsproblematik, da für jeden Einzelfall die Frage zu stellen sein dürfte, ab welcher konkreten Entfernung die Anreise für welche konkrete Anzahl von Eigentümern gerade noch zumutbar oder schon unzumutbar sein soll.
Einzig maßgebendes Kriterium kann m.E. nur die durch eine Versammlung am Ort des Objekts garantierte Sachnähe der Entscheidungen der Eigentümergemeinschaft sein.
Die Gelegenheit der persönlichen Inaugenscheinnahme des Objekts, verbunden mit einem Gespräch mit Mietern und Miteigentümern, die sich anlässlich der Durchführung der Versammlung am Ort der Anlage ergibt, schafft eine Entscheidungsgrundlage für die Beschlussfassung über so wichtige Themen wie etwa die Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen oder die Entlastung bzw. Wiederwahl des Verwalters, die an entferntem Ort nicht vorhanden ist.
Zudem hat der Gesetzgeber bereits mit der Bestimmung des § 43 Abs. 1 Ziff. 4. WEG, wonach für die Entscheidung über die Gültigkeit von Beschlüssen der Wohnungseigentümer ausschließlich das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, eine eindeutige Entscheidung zugunsten der Orts- bzw. Objekt- und damit Sachnähe getroffen.
Was für den Streit um die Rechtmäßigkeit von Versammlungsbeschlüssen gilt, muss letztlich auch für Frage des rechtmäßigen Versammlungsorts gelten.
Meines Erachtens hat daher die Eigentümerversammlung vorzugsweise am Ort des Objekts, grundsätzlich aber zumindest in dem Gerichtsbezirk, in dem die Wohnungseigentumsanlage liegt, stattzufinden.