Efeu an den Fassaden

Ein Dauerproblem: Efeu an den Fassaden

Grenzenloses Grün von nebenan

Von Ekkehard Müller-Jentsch 

Wenn auf einem stillgelegten Friedhof Efeu wuchert, findet das jeder romantisch. Ärger gibt es aber, wenn sich die Kletterpflanze über das Haus des Nachbarns hermacht.

Das saftige Grün von Efeu kann hartes Mauerwerk verhüllen und Gebäuden eine romantische Note verleihen. Braun und abgestorben sind die holzigen Lianenreste aber ein hässlicher Anblick und werden rasch zum Ärgernis. Nachbarn, die sich jahrelang an der auf ihre Hausfassade hinüberwuchernden Kletterpflanze erfreut haben, müssen das Rankwerk nicht länger dulden, wenn es nur noch tot am Außenputz hängt – das haben Münchner Richter in einem Nachbarschaftsstreit entschieden.

Grüner Wucher

Die streitenden Parteien sind die Eigentümergemeinschaften von zwei benachbarten Anwesen in der Innenstadt. Vor 16 Jahren hatten die Eigentümer des einen Hauses Efeu in den Innenhof ihres Anwesens gepflanzt. Dieses immergrüne Holzgewächs, das sich mit seinen Haftwurzeln auch in Fassaden krallen kann, erreichte schnell beachtliche Ausmaße: Die Lianen krochen bald auch an der Wand des Nachbargebäudes bis zum Dach empor. Im Sommer 2001 beschlossen jedoch die Eigentümer, die den Efeu gepflanzt hatten, die Fassade ihres Anwesens zu renovieren. Dazu wurden die Wurzeln gekappt und das Grünzeug an ihrem Gebäude entfernt. Der einstmals prächtig grüne Bewuchs am Nachbarhaus verwelkte natürlich ebenfalls.

Streit über die abgestorbenen Lianen

Jetzt gerieten sich die Hausgemeinschaften in die Haare. Die einen verlangten von den anderen, die abgestorbenen Pflanzenreste zu entfernen. Als man sich nicht einigen konnte, klagten die Bewohner mit der verschandelten Fassade gegen die „Verursacher“. Einer der Kläger, der selbst Hand angelegt und einen Teil der toten Ranken zwischen seiner und der darüber liegenden Wohnung entfernt hatte, klagte zudem für seinen Arbeitsaufwand 80 Euro ein.

Die beklagte Hausgemeinschaft verteidigte sich vor dem Amtsrichter: Es sei „rechtsmissbräuchlich“, wenn die Nachbarn jetzt die Entfernung der Pflanzenreste verlangen würden, denn mehr als zehn Jahre hätten sie sich an dem lebenden Grünzeug erfreut und niemals die Beseitigung des Efeus gefordert – „damit ist ihr Anspruch verwirkt“. Im übrigen könnten die klagenden Eigentümer die abgestorbenen Ranken von ihren Fenstern und Balkonen aus einfach und vor allem billiger selbst entfernen.

Richter gegen Überwuchs

Der Amtsrichter gab aber überwiegend der klagenden Eigentümergemeinschaft Recht. Der Efeu sei ein „Überwuchs“, der vom Grundstück der Beklagten ausgehe und daher eine Beeinträchtigung des Eigentums der klagenden Nachbarn darstelle. Dass viele Jahre lang die grüne Pracht geduldet worden sei, verwirke keineswegs den Beseitigungsanspruch, weil diese Duldung sich ausschließlich auf die lebende Pflanze bezogen habe. Durch das Kappen der Wurzeln sei eine ganz andere Sachlage entstanden.

Das Ansinnen, jeder solle die Rankenreste rund um seine eigenen Fenster und Balkone entfernen, sah der Richter offenbar als zu halsbrecherisch an: „Eine derartige Selbstgefährdung ist der Klagepartei nicht zuzumuten.“ Bei dem Eigentümer, der sich an dieses Unterfangen bereits herangewagt hatte, sah er jedoch 80Euro für einen übertrieben hohen Arbeitslohn an. Zumal Zeugen ihn in der fraglichen Zeit auch noch bei anderen Tätigkeiten beobachtet hatten. Mehr als zwei Stunden wollte der Richter für die partielle Efeu-Entfernung nicht gelten lassen und billigte dem Kläger dafür 40 Euro zu. Die Berufung gegen dieses Urteil hat das Landgericht MünchenI abgewiesen (Aktenzeichen:273C17038/02 und 20S8677/03).

 Quelle: Süddeutsche Zeitung