Vergleichsangebote: BGH weicht die Drei-Angebote-Regel auf

RA Dr. Jan-Hendrik Schmidt Aktuelles, Wohnungseigentumsrecht:

Deutschlandweit verlangen Amtsgerichte und Landgerichte seit jeher mindestens drei Vergleichsangebote, damit der Beschluss über die Durchführung einer größeren bzw. teuren Verwaltungsmaßnahme rechtmäßig ist. Wurde z.B. eine umfangreiche Sanierung des Gebäudes beschlossen, ohne dass sich die Gemeinschaft (GdWE) zuvor durch mindestens drei vergleichbare Angebote einen Marktüberblick verschafft hatte, waren Anfechtungsklagen erfolgreich. Die Beschlussfassung sei auf einer ungenügenden Tatsachengrundlage erfolgt, hieß es kurz und knapp in Gerichtsentscheidungen, die derartige Sanierungsbeschlüsse „kassierten“. Den Einwand vieler Verwalter, man habe keine weiteren Anbieter finden können, ließen Gerichte nicht gelten.
Anders sieht es nunmehr der BGH in seinem Urteil vom 10.02.2023 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 246/21 in Rn. 15 der Urteilsbegründung: ein Beschluss kann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn der Grund für fehlende Vergleichsangebote nachweislich darin liegt, dass trotz ausreichender Anfragen keine weiteren Angebote abgegeben wurden. Zwar bezieht sich der BGH in seinem Beispiel auf einen inhaltsgleichen Zweitbeschluss (über dieselbe Sanierungsmaßnahme), nachdem der erste Beschluss wegen fehlender Vergleichsangebote in einer vorausgegangenen Anfechtungsklage rechtskräftig für ungültig erklärt wurde. Bei näherer Betrachtung kann es aber keinen Unterschied machen, ob der Verwalter mit seinen Bemühungen bereits vor der ersten Beschlussfassung scheitert. Beispiel: im ersten Beschluss wird die Sanierung beschlossen auf Grundlage des Angebots A. Vergleichsangebote gibt es nicht, da der Verwalter keine einholte. Die Anfechtungsklage hat deshalb Erfolg und der Sanierungsbeschluss wird vom Gericht rechtskräftig für ungültig erklärt. Zur nächsten Versammlung bemüht sich der Verwalter (erstmals) um Vergleichsangebote, indem er weitere Anbieter um Abgabe eines Angebots bittet. Sein Vorhaben scheitert, weil Anbieter sich nicht melden oder wegen voller Auftragsbücher eine Angebotsabgabe ablehnen. Die Mehrheit beschließt erneut die Auftragsvergabe gemäß Angebot A.
Der Fingerzeig des BGH ist ernst zu nehmen. Verwalter müssen ernsthaft und nachweislich Bemühungen anstellen, um Vergleichsangebote zu beschaffen. Nur wenn ihre Suche nachweislich erfolglos bleibt, also trotz ausreichender Bemühungen nur ein oder zwei Angebote eingeholt werden konnten, kann die Beschlussfassung auf der reduzierten Tatsachengrundlage gleichwohl ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Zu Beweiszwecken sollte der Verwalter seine Suche dokumentieren. Die Ernsthaftigkeit der Bemühungen wird gesteigert, wenn bei angefragten Anbietern, die nicht reagieren, nachgefasst wird. Professionelle Verwalter gehen strukturiert vor. Angebote werden in ausreichender Anzahl rechtzeitig angefordert. Ein Netzwerk oder ein Pool von Anbietern, mit denen der Verwalter bzw. die Gemeinschaften regelmäßig zusammenarbeiten können, ist hilfreich. Digitale Hilfsmittel erleichtern die Aufgabenstellung. Eigentümer werden in die Einholung von Angeboten eingebunden.

Quelle: https://wir-breiholdt.de/2023/05/bgh-weicht-die-drei-angebote-regel-auf/