Wann ist ein Kostenverteilungsschlüssel unbillig?

  

Die Bundesregierung legte am 13. Oktober 2004 einen Entwurf zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes vor. Über den wesentlichen Inhalt der Änderung berichteten wir bereits in der Novemberausgabe der BHZ (Seite 498). Nach der Gesetzesnovelle sollen Wohnungseigentümer künftig einen Anspruch auf erleichterte Änderung der Gemeinschaftsordnung erhalten. So sollen die Eigentümer in Zukunft auch den Kostenverteilungsschlüssel durch Mehrheitsbeschluss ändern können. Nach der bisherigen Rechtslage ist dies nur mit Zustimmung sämtlicher Eigentümer möglich. Gerade bei der Kostenverteilung führte dies bisher oft zu grob unbilligen Ergebnissen. So etwa bei nachfolgender, relativ häufig vorkommender Konstellation:

 

Ein Gebäude wird in Wohnungseigentum aufgeteilt. In der Teilungserklärung wird den Eigentümern der im obersten Geschoss liegenden Wohnungen gestattet, das Dachgeschoss zu Wohnzwecken auszubauen. In der Gemeinschaftsordnung ist festgelegt, dass die Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums nach den Miteigentumsanteilen verteilt werden. Die Miteigentumsanteile sind nach dem Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen gebildet. Später erfolgte der Ausbau des Dachgeschosses. Dadurch erhielten die Eigentümer der betroffenen Wohnungen größere Wohnflächen. Die übrigen Wohnungseigentümer verlangen deshalb eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels.

 

Nach derzeitiger Rechtslage gilt Folgendes:

 

Nach § 16 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils zu tragen. Da diese Vorschrift nicht zwingend ist, werden die Kostenverteilungsschlüssel in der Gemeinschaftsordnung häufig auch nach anderen Kriterien festgelegt. So etwa nach Wohn- und Nutzflächen oder aber auch nach Kopfzahl der tatsächlichen Nutzer. Wollen die Eigentümer den Kostenverteilungsschlüssel ändern, so kann dies grundsätzlich nicht durch Mehrheitsbeschluss erfolgen, sondern nur durch Zustimmung sämtlicher Miteigentümer. Naturgemäß wird von denjenigen Eigentümern, die wegen hinzugekommener Wohnflächen künftig mit höheren Kosten belastet werden sollen, eine solche Zustimmung oft nicht erteilt.

 

Wenn die Gemeinschaftsordnung keine sogenannte Öffnungsklausel, wonach die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels auch durch Mehrheitsbeschluss zulässig ist, enthält, bleibt den Wohnungseigentümern zur Änderung des angepassten Kostenverteilungsschlüssels nur der Rechtsweg. Dabei ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Miteigentümer einen Anspruch auf Änderung des Kostenverteilungsschlüssels haben, umstritten.

 

Relativ einfach sind diejenigen Fälle zu behandeln, bei denen der Kostenverteilungsschlüssel von Anfang an verfehlt ist, etwa weil ein vorgesehenes Bauteil gar nicht errichtet wurde oder weil von Anfang an die Wohn- und Nutzflächen falsch berechnet wurden und deshalb die Miteigentumsanteile entsprechend falsch sind. Hier steht den Eigentümern ein Anspruch auf Änderung des Kostenverteilungsschlüssels zu. Wesentlich größere Probleme bereiten dagegen die Fälle, in denen die ursprünglich festgelegten Miteigentumsanteile wegen Schaffung neuer Wohnflächen (z.B. Dachgeschossausbau) nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen.

Der Bundesgerichtshof hatte vor kurzem mit Beschluss vom 7. Oktober 2004 (BGH, Az: V ZB 22/04) wiederum über die Frage zu entscheiden, wann die Eigentümergemeinschaft in solchen Fällen einen Anspruch auf Änderung des Kostenverteilungsschlüssels hat.

 

Grundsätzlich gilt, dass eine bestimmte Prozentgrenze, bis zu der eine Mehrbelastung hingenommen werden muss, nicht besteht. Ein Änderungsanspruch kommt nur dann in Betracht, wenn die geltende Regelung der Kostenverteilung zu grob unbilligen, mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führt. Im Einzelfall haben dies die Obergerichte angenommen bei einer Kostenmehrbelastung eines Wohnungseigentümers von 253% (BayObLGZ 1991, 396, 399) von 171%, (BayObLGZ 1987, 66, 69) und von 87,5% (BayObLG, WuM 1997, 61,62). Verneint worden ist eine grobe Unbilligkeit bei einer Kostenmehrbelastung zwischen 12 % und 50 % Prozent durch das Bayerische Oberste Landesgericht und von 27 % durch das OLG Düsseldorf.

 

Der BGH stellte erneut heraus, dass es keine starren prozentualen Grenzen gibt und das Maß der Kostenmehrbelastung nicht alleiniges Kriterium einer groben Unbilligkeit ist. Zu berücksichtigen sind vielmehr die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalls. Eine grobe Unbilligkeit kann zu verneinen sein, wenn bei einer gebotenen längerfristigen Betrachtungsweise zu erwarten ist, dass es zu einem wirtschaftlichen Ausgleich einer einmaligen Kostenmehrbelastung kommen wird. Grobe Unbilligkeit kann auch ausscheiden, wenn die Ursache einer Kostenmehrbelastung ausschließlich dem Risikobereich des betroffenen Wohnungseigentümers zuzuordnen ist. Ferner, wenn die Auswirkungen einer nicht sachgerechten Kostenverteilungsregelung bereits bei Erwerb des Wohnungseigentums absehbar waren.

 

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist immer eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen und ein strenger Maßstab zu Grunde zu legen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob der beanstandete Kostenverteilungsschlüssel auf sämtliche oder nur auf einen Teil der Gemeinschaftskosten Anwendung findet. Letzteres ist gegeben, wenn beispielsweise die Heizkosten oder weitere Kosten nach Verbrauch umgelegt werden, wie etwa Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung.

 

Maßgeblich ist nach der Entscheidung des BGH, ob im Wege einer so genannten ergänzenden Auslegung der Gemeinschaftsordnung ein Änderungsanspruch der Miteigentümer besteht. Dies ist der Fall, wenn sich aus den Bestimmungen der Teilungserklärung unter Berücksichtigung des Aufteilungsplanes ergibt, dass das Verhältnis der Miteigentumsanteile nach dem Verhältnis der Wohnflächen der einzelnen Sondereigentumseinheiten bestimmt worden war. Wenn sich dabei die Wohnflächen durch spätere bauliche Maßnahmen (Dachgeschossausbau) verändern, so entsprechen sie nicht mehr den ursprünglich vorgesehenen Miteigentumsanteilen. Dies wiederum führt dazu, dass eine Kostenverteilung nach dem Verhältnis der (ehemals bestehenden) Miteigentumsanteile nicht mehr sachgerecht ist.

 

Für die Sicherstellung eines sachgerechten Verteilungsschlüssels ist daher nach dem Beschluss des BGH vom 7. Oktober 2004 ein Anspruch der übrigen Eigentümer auf Änderung des Kostenverteilungsschlüssels gegeben. Dies deshalb, weil die zum Ausbau berechtigten Wohnungseigentümer nicht erwarten können, dass sich die anderen Miteigentümer an den höheren Kosten der vergrößerten Sondereigentumseinheiten beteiligen. Es gebe keine Gründe, den übrigen Wohnungseigentümern den Verzicht auf den sachgerechten Verteilungsschlüssel wegen baulicher Veränderungen zuzumuten, die außerhalb ihres Einflussbereiches liegen.

 

Ein Anspruch auf Änderung der Miteigentumsanteile an sich kommt allerdings nach dem Beschluss des BGH nicht zwingend in Betracht, weil ein solcher wiederum zur Erhöhung der Stimmrechte führen könnte. Dies ist nach dem Beschluss des BGH nicht erforderlich – die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels ist ausreichend.

 

Zusammenfassung

Ein Anspruch auf Änderung des Kostenverteilungsschlüssels ist gegeben, wenn die bestehende Regelung über die Verteilung der Kosten zu grob unbilligen, mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führt. Dies richtet sich nicht allein nach dem Maß der Kostenmehrbelastung des benachteiligten Wohnungseigentümers, sondern nach den gesamten Umständen des einzelnen Falles. Ein Änderungsanspruch kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Kostenverteilung nach Miteigentumsanteilen erfolgt, die Miteigentumsanteile nach dem Verhältnis der Wohnflächen gebildet wurden, die tatsächlichen Wohnflächen sich jedoch durch Maßnahmen einzelner Sondereigentümer (Dachgeschossausbau) verändert haben.

Der Beschluss des BGH wird auch nach der geplanten Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes Bedeutung haben, da hieraus auch Einzeleigentümer Ansprüche auf Änderung des Kostenverteilungsschlüssels ableiten können.

 

Quelle: http://www.haus-und-grund-muenchen.de

Rechtsanwalt Georg Hopfensperger

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