OLG München gegen BGH – Doch Parabolantenne für Türken alevitischen Glaubens?

BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 260/06

OLG München, Beschl. v. 6.11.2007 – 32 Wx 146/07
Darf der Mieter einer Wohnung (und damit auch der selbstnutzende Wohnungseigentümer)auch gegen den Willen des Vermieters und/oder der Wohnungseigentümergemeinschafteine Satellitenantenne installieren?
Dass diese Frage nicht einfach zu beantworten ist, verdeutlicht sich anhand einer
aktuellen Grundsatzentscheidung des BGH für das Wohnraummietrecht, der das
OLG München in einer wohnungseigentumsrechtlichen Entscheidung widerspricht.

Der Fall:
Der Mieter, ein türkischer Staatsangehöriger alevitischen Glaubens, hatte ohne Zustimmungdes Vermieters auf dem Balkon eine Satellitenantenne aufgebaut, obgleich
die Wohnung mit einem Breitbandkabelanschluss ausgestattet und daher die Errichtung
von Satellitenantennen im Mietvertrag untersagt war.

Das Problem:
Der Vermieter klagte auf Entfernung der Satellitenantenne, da diese mietvertraglich
verboten und ein rechtswidriger Eingriff in das Eigentum (Art. 14 GG) gegeben sei.
Der Mieter berief sich demgegenüber sowohl auf sein Grundrecht auf Informationsfreiheit
(Art. 5 GG), als auch auf das Grundrecht der Glaubens- und Religionsfreiheit
(Art. 4 GG), und führte an, dass er als Türke alevitischen Glaubens über die über den
Kabelanschluss angebotenen Programme keine besonderen Sendungen für ihn relevanten religiösen Inhalts empfange konnte.

Die Entscheidung des BGH:
Der BGH verurteilte den Mieter, ließ aber bei der Beurteilung des Falles ausdrücklich
offen, ob die (bedenkliche) Verbotsklausel im Mietvertrag tatsächlich unwirksam war
oder nicht. Zwar, so der BGH, könne sich ein Mieter ausländischer Herkunft grundsätzlich auf das Grundrecht der Informationsfreiheit berufen, soweit er nur durch den TV-Empfang via Satellit in der Lage sei, den Kontakt zu seinem heimatlichen Kulturkreis aufrecht zu erhalten. Dies gelte aber nicht, wenn die Mietwohnung mit einem
Breitbandkabelanschluss ausgestattet und die Möglichkeit des Bezugs heimatsprachlicher „Programmpakete“ gegeben sei.

Dass diese Programme keine speziell auf den alevitischen Glauben zugeschnitten
Inhalte aufwiesen, sah der BGH als nicht wesentlich an. Schließlich stellten religiöse
Sendungen nur einen Ausschnitt des Informationsinteresses des Mieters dar, der
dieses spezielle Interesse auch anderweitig, etwa durch Radio, Internet oder Druckwerke
befriedigen könne.

Die Entscheidung des OLG München:
Das OLG München hatte einen gleichgelagerten Sachverhalt für das Wohnungseigentumsrecht zu entscheiden.
Das OLG München verwies die Sache zurück an das Landgericht München, da dieses
nach Auffassung der Richter am Oberlandesgericht die Argumente des türkischen
Wohnungseigentümers hinsichtlich der Besonderheit seiner Glaubenssituation
nicht hinreichend berücksichtigt habe. Aus den Entscheidungsgründen ist herauszulesen, dass das OLG München wohl der Auffassung zuneigt, dass sehr wohl ein durchsetzbarer Anspruch auf Informationsfreiheit unter besonderer Berücksichtigung des Grundrechts der Religionsausübungsfreiheit gegeben sein kann.

Mein Kommentar:
Wie immer dürfte auf den Einzelfall abzustellen sein.
Besonderes Augenmerk dürfte auf die Art und das genaue Programm des über Satellit
zu empfangenden Senders zu richten sein, da der BGH seine Entscheidung u.a.
damit begründete, dass der gewünschte Sender nicht ausschließlich religiöse Sendungen abstrahlte, sondern auch Nachrichten, Spielfilme und Sportereignisse übertrug. In diesem Fall dürfte das religiöse Interesse am Empfang wohl kaum im Vordergrund stehen.

Quelle: Rüdiger Fritsch: Rechtsanwalt, zugl. Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht – www.krall-kalkum.de/