Bis wohin sind Versorgungsleitungen, die wesentliche Bestandteile des Gebäudes sind, zwingend dem Gemeinschaftseigentum zuzuordnen?

 

Gemeinschaftseigentum Leitungssystem

Rechtsfrage:
Bis wohin sind Versorgungsleitungen, die wesentliche Bestandteile des Gebäudes sind, zwingend dem Gemeinschaftseigentum zuzuordnen? 

Hierzu gleichfalls BGH – Urteil vom 26.10.2012 – V ZR 57/12: 
Nach § 5 Abs. 1 WEG sind Gegenstand des Sondereigentums die zu den im Sondereigentum stehenden Räumen gehörenden Bestandteile des Gebäudes, die verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass dadurch das gemeinschaftliche Eigentum oder ein auf Sondereigentum beruhendes Recht eines anderen Wohnungseigentümers über das nach § 14 WEG zulässige Maß hinaus beeinträchtigt oder die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird.

Versorgungsleitungen lassen sich zwar bautechnisch in viele einzelne Teile zerlegen. Soweit sie sich im räumlichen Bereich des Gemeinschaftseigentums befinden, sind sie rechtlich jedoch als Einheit anzusehen. Sie bilden ein der Bewirtschaftung und Versorgung des Gebäudes dienendes Leitungsnetz und damit eine Anlage im Sinne von § 5 Abs. 2 WEG (BGHZ 78, 225, 227 aE). Eine solche Betrachtung erhält den WE die gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis über das Leitungsnetz und ermöglicht so Veränderungen daran, beispielsweise die Verwendung von Leitungen, die nur eine Wohneinheit versorgen, auch für andere Zwecke; ferner erleichtert sie die Durchführung von Instandsetzungsarbeiten oder Modernisierungsmaßnahmen an den Versorgungsleitungen. 

Zu dem im Gemeinschaftseigentum stehenden Versorgungsnetz gehören die Leitungen nicht nur bis zu ihrem Eintritt in den räumlichen Bereich des Sondereigentums, sondern jedenfalls bis zu der ersten für die Handhabung durch den Sondereigentümer vorgesehenen Absperrmöglichkeit. Je nach Bauweise kann das schon daraus folgen, dass eine – nicht durch Ventile, Eckverbindungen oder ähnliche Zwischenstücke – unterteilte Leitung eine einheitliche Sache ist, an der nur einheitliches Eigentum bestehen kann. In erster Linie ist hingegen maßgeblich, dass Wasser- und Heizungsleitungen erst von dem Punkt an ihre Zugehörigkeit zu dem Gesamtnetz verlieren, an dem sie sich durch eine im räumlichen Bereich des Sondereigentums befindliche Absperrvorrichtung hiervon trennen lassen. 

Anmerkung 1 Fries Immobilien Team:
Festlegungen in der Teilungserklärung, wonach zumindest diejenigen Leitungsteile, die von den Steig-/Hauptleitungen abzweigen und zum Sondereigentum führen, dem Sondereigentum unterfallen sollen, sind hiernach unwirksam (s. o. Rechtsfrage 1).

Das wird auch für Abwasserleitungen gelten; hier kommt es nicht an die erste Absperrmöglichkeit an, sondern eher an die erste Anschlussmöglichkeit. 

Anmerkung 2 Fries Immobilien Team: 
Sind am System der Versorgungsleitungen auch nach Eintritt in den Sondereigentumsbereich keine Absperrvorrichtungen montiert, unterliegt das gesamte Rohrleitungssystem (also „bis zum Wasserhahn“) dem Gemeinschaftseigentum, auch entgegen anderslautenden Regelungen in der Teilungserklärung. 

Im Ergebnis kann dies dazu führen, dass innerhalb einer Wohnanlage unterschiedliche Punkte im Leitungssystem maßgeblich sind und eine je nach Wohnungssituation zu differenzierende Kostenverantwortung Platz greift.

 

 

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