Verkehrssicherungspflichten in der WEG- Verwaltung

 

In den dunklen und glatten Wochen sind Eigentümer und Vermieter durch ihre
Verkehrssicherungspflichten besonders gefordert – selbst wenn sie die Aufgaben an andere
übertragen.
Wenn der Schnee leise rieselt, Straßen, Dächer und Grünflächen mit seiner weißen
Zauberschicht bedeckt und Winterfreunde in Scharen auf Eisflächen und an Rodelhänge
drängt, sorgen bei Verwaltern und Wohnungseigentümern genau zwei Worte für Stirnrunzeln:
Eigentum verpflichtet – nämlich dazu, dass Gehwege, Zufahrten und Eingänge gefahrlos
begangen und befahren werden können. „Aus § 823 BGB ergibt sich, dass die einzelnen
Wohnungseigentümer als Grundstückseigentümer zunächst in der unmittelbaren Pflicht der
Verkehrssicherung stehen“, erklärt der Immobilienverwaltungsexperte Hajo Oertel, der lange im
erweiterten Vorstand des BVI Bundesfachverbands der Immobilienverwalter gewirkt hat:
Eigentümer müssen dafür sorgen, dass das Gebäude, die Grundstücksflächen sowie technische
Anlagen „verkehrs“-sicher sind beziehungsweise werden. „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das
Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines
anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schaden
verpflichtet“, beschreibt es das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Die Verkehrssicherungspflicht
besteht dabei gegenüber Mietern, Besuchern und grundsätzlich sogar gegenüber Personen, die
sich unberechtigt auf dem Grundstück aufhalten. Wer sich allerdings ohne Befugnis etwa auf
ersichtlich ungesicherte Wege begibt, der muss sich aber ein überwiegendes Eigenverschulden
anrechnen lassen – bei Kindern gelten allerdings Ausnahmen.

Grundsätzlich sind Wohnungseigentümer verpflichtet, für die Sicherheit auf ihrem Grundstück
und dem dazugehörigen Gehweg zu sorgen. Sie haften folglich persönlich auch für Schäden.
Daher sollten die Wohnungseigentümer sinnvollerweise in der Eigentümerversammlung
beschließen, dass die Verwaltung ein Unternehmen beauftragen soll, das räumt und streut. „Bei
einem solchen Beschluss ist die Sicherungspflicht delegiert“, erklärt Rechtsanwalt Rüdiger
Fritsch. „Wenn nicht richtig geschippt wird, ist das Unternehmen schuld.“ Derjenige, der die
Verkehrssicherungspflicht auf Dritte delegiert, ist aber verpflichtet, ein vertrauenswürdiges
Unternehmen auszusuchen und anfangs zu kontrollieren, ob auch tatsächlich gearbeitet wird.
Ergeben sich keine Defizite, kann der Eigentümer erst einmal beruhigt sein. Dem Verwalter
obliegt dabei die Aufgabe, den Vorgang zu organisieren – die er erfüllt, wenn er drei
Vergleichsangebote einholt und diese in die Versammlung einbringt. Problematisch werde es
für Verwalter nur, wenn Eigentümergemeinschaften aus Spargründen die Sicherungspflichten
selbst wahrnehmen wollen. „Wir raten dringend dazu, auf einen Beschluss zum Beauftragen
eines fachkundigen Unternehmens hinzuwirken“, sagt Fritsch. Beschlüsse, wonach die einzelnen
Eigentümer aus falscher Sparsamkeit verpflichtet sein sollen, in Eigenleistung zu räumen und
zu streuen, sind unwirksam, und im Zweifel werde dann der Verwalter zur Rechenschaft
gezogen. Weigere sich eine Gemeinschaft, könnten Verwalter als letzten Schritt das
Verwalteramt niederlegen bzw. den Verwaltervertrag kündigen, so Fritsch. Dies sei auf jeden
Fall besser, als so lange die Augen zuzudrücken, bis etwas passiere.
Was geräumt werden muss

Die einzelnen Vorgaben finden sich häufig in städtischen Satzungen. Grundsätzlich muss so
geräumt werden, dass der Tagesverkehr problemlos fließen kann – werktags in der Regel von 7
bis 20 Uhr, an Feiertagen etwas später. An öffentlichen Orten, die auch abends belebt sind,
muss länger und wiederholt gestreut und geräumt werden; dies gilt etwa für Kinos, Theater oder
bis in die Abendstunden geöffnete Schwimmhallen.
Auf dem Gelände von Wohnanlagen und Mehrfamilienhäusern müssen Menschen auf dem
Gehweg sicher laufen können, die Hauseingänge müssen frei sein und auch der Weg zu
Mülltonnen und Garagen. Zwei Fußgänger sollten auf dem geräumten Streifen nebeneinander
passen. Wenn sich tagsüber Glatteis bildet, muss sofort gestreut werden; der BVI empfiehlt,
grundsätzlich Sand oder Granulat zu verwenden. Salz ist in vielen Städten verboten. Bei
anhaltendem Schneefall müssen Verantwortliche von Fall zu Fall entscheiden, ob ein Nach-
Streuen oder -Räumen sinnvoll ist – und diese Entscheidung im Zweifel vor Gericht begründen
können. Denn Passanten können unter Umständen Schadensersatz und Schmerzensgeld
verlangen, wenn sie stürzen. Richter müssen dann klären, ob Wohnungseigentümer, Verwalter
oder nachgelagert Beauftragte ihre Pflichten vernachlässigt haben oder der Verletzte
leichtfertig gehandelt hat.

Weitere Verkehrssicherungspflichten
Hajo Oertel weiß aus langjähriger Erfahrung, dass die Verwaltungen die
Eigentümergemeinschaften zusätzlich sehr klar darauf hinweisen müssen, dass die
Verkehrssicherungspflichten indes weiter reichen: Bäume auf dem Grundstück sind auf ihre
Standfestigkeit zu überprüfen, vor allem nach Stürmen. Gleiches gilt für Kinderspielplätze: Sind
die Geräte noch fest im Boden verankert? Wie sehr haben ihnen Wetter und Witterung
zugesetzt? Auch diese Fragen müssen Verwalter klären. Es empfiehlt sich zudem, regelmäßig
das Dach auf eventuell lockere Ziegel zu überprüfen, die Regenrinne auf etwaige
Verstopfungen, die Dachlawinengitter auf Funktionsfähigkeit. Darüber hinaus stehen technische
Anlagen auf dem Prüfstand.

Auch im Gebäude lauern Gefahrenquellen, wie die Rechtsanwältin Heidi Schnurr erklärt:
„Einmal im Jahr sollten Sie eine Begehung des Treppenhauses, des Kellers und des Dachbodens
durchführen“, rät Schnurr. „Achten Sie darauf, dass Fluchtwege nicht zugestellt sind und der
Bodenbelag eben und rutschfest ist.“ Gerade in der dunklen Zeit sei Licht ein wichtiges Thema:
Hauseingänge und Zufahrten werden bei schummriger Beleuchtung zu gefährlichen
Stolperfallen. „Eine Lichtschaltung über Bewegungsmelder ist hier hilfreich und
empfehlenswert, aber keine Pflicht“, so Schnurr.

Die Bandbreite an Sicherungsaspekten verdeutlicht, dass das Thema keinesfalls nur in den
Wintermonaten zu den Kernaufgaben von Verwaltern zählt. „Häufig fallen einem erst bei der
Beschäftigung mit Schnee und Eis ein, wofür man eigentlich alles verantwortlich ist“, sagt
Immobilienexperte Oertel. Er spannt den Bogen von unsichtbaren Gefahren wie Legionellen bis
hin zu Rauchwarnmeldern, Antennen und Zäunen – und sämtlichen damit verbundenen
technischen und rechtlichen Neuerungen, die es im Blick zu behalten gilt. Als Belastung sieht
Oertel das indes nicht; er rät Verwaltungen dazu, derartige Aufgaben als Chance zu begreifen,
Kompetenzen zu vermarkten und vergüten zu lassen: „Machen Sie Ihren Kunden deutlich: Wir
kennen uns aus, wir sind die Profis“, sagt Oertel. So in Umlauf gebrachte Expertise dürfe und
müsse sich im Honorar niederschlagen – und hebe das Niveau in der gesamten Branche.

Quelle: BVI e.V.
www.bvi-verwalter.de